28.06.2021

Happy birthday Madeleine Winter-Schulze

Deutschlands wohl bekannteste Reitsport-Mäzenin feiert am 28. Juni ihren 80. Geburtstag. Wieso sie noch lange nicht an Ruhestand denkt und auch weiterhin gemeinsam mit ihren Pferden die Welt bereisen wird, hat uns Madeleine Winter-Schulze bei einem Besuch auf ihrer Anlage in Wedemark unweit von Hannover verraten.

„Ach, das war ein so unvergesslicher Moment“, sagt Madeleine Winter-Schulze. Sie steht in ihrer Reithalle in Mellendorf, umringt von Bildern, die sie vor einigen Jahren von ihren Mitarbeitern und Freunden geschenkt bekommen hat. Mehr als 50 sind es, die entlang der Bande die Wände schmücken und eine Reise durch ihr Leben skizzieren. Unten den gerahmten Motiven befinden sich geliebte Erinnerungen an ihren verstorbenen Ehemann Dieter, Schnappschüsse ihrer ersten Reitversuche im Berliner Grunewald und Rückblicke auf ihre großen sportlichen Erfolge. Und eben dazu gehört auch dieser eine Moment im Rahmen des CHIO Aachen 1988, in dem Madeleine die Ehrenrunde des Grand Prix anführt. „In diesem tollen Stadion als Siegerin gefeiert zu werden, das war schon etwas ganz Besonderes“, blickt sie zurück und erzählt lachend davon, dass sie in Anbetracht der großen Konkurrenz eigentlich gar nicht hatte antreten wollen. „Aber alle haben mir gesagt, Du musst einmal in Aachen reiten. Und dann habe ich das eben gemacht und tatsächlich vor Reiner Klimke und Sven Rothenberger gewonnen.“

 

 

Und natürlich sind in der Galerie auch Bilder von jenen Pferden zu finden, die Madeleine gehören und die rund um den Globus mit „ihren Jockeys“, wie sie liebevoll ihre Reiter nennt, von Erfolg zu Erfolg eilen. Seit 2001 unterstützt sie Isabell Werth, ein paar Jahre länger schon arbeitet sie mit Ludger Beerbaum zusammen. Und egal wo auf der Welt ihre Pferde im Einsatz sind, steht Madeleine am Einritt und fiebert mit. „Ich weiß, dass ich die Ordner damit immer ein bisschen ärgere, weil man ja da eigentlich nicht stehen soll“, schmunzelt sie. „Aber ich bin eben am liebsten ganz nah dabei.“ Es sich auf der VIP-Tribüne gut gehen zu lassen und die Canapés nur kurz zum Applaudieren aus der Hand zu legen, ist ihre Sache nicht. Stattdessen zeigt sie vollen Einsatz, tummelt sich im Stallzelt, steht am Abreiteplatz, begleitet ihre Reiter ins Viereck oder in den Parcours und nimmt sie wieder in Empfang, wenn sie herauskommen. Dann jubelt sie von Herzen – und tröstet, wenn etwas mal nicht so gelaufen ist, wie geplant: „Ich weiß ja, wie man sich in solchen Momenten fühlt. Dann tue ich alles, um meine Reiter zu stärken, sie wieder aufzubauen. Sie sollen nie das Gefühl haben, dass ich sauer bin“, sagt die gebürtige Berlinerin und der Zuhörer spürt, wie wichtig ihr das ist.

Ein Leben mit Pferden

Wenn sie die Ritte ihrer Pferde analysiert, weiß Madeleine genau, wovon sie spricht. Den Grundstein für ihre reiterliche Karriere als auch für ihre Sponsorentätigkeiten legt einst ihr Vater Eduard Winter. Wer die Berliner Wirtschaftsgeschichte der 1950er Jahre kennt, dem ist dieser Name ein Begriff. Winter ist in jener Zeit der „Auto-König“ in der ummauerten Stadt, verkauft unter anderem amerikanische Luxusschlitten. Außerdem besitzt er mehrere Firmen, darunter eine Coca-Cola-Fabrik. In seiner Freizeit reitet er im Grunewald aus. Madeleine ist neun Jahre alt, als ihr Vater sie erstmals aufs Pferd setzt. „1958 bin ich dann meine erste Juniorenprüfung geritten und habe gleich gewonnen“, blickt sie zurück. „Mein Vater war Feuer und Flamme und sagte, dass ich weiter machen soll mit der Reiterei.“ Schnell bekommt sie ihr erstes Pferd, dem Unternehmen des Vaters entsprechend bekommt es den Namen Coca-Cola. Trainiert wird Madeleine damals von Ines von Badewitz, später von Herbert Rehbein. Mit 18 Jahren tritt sie erstmals bei den Deutschen Meisterschaften der Dressurreiter an – und gewinnt: „Die anderen Pferde waren eigentlich viel besser als Coca-Cola. Aber im Finale mit Pferdewechsel sind wir allen davongeritten.“

 

 

Als Coca-Cola die verdiente Rente antritt, tauscht Madeleine den Dressursattel zeitweise ein. „Wir hatten zu der Zeit nur Springpferde im Stall“, erzählt sie von ihrem Abstecher in den Parcours, wo sie das Kunststück schafft, auch in dieser Disziplin Deutsche Meisterin zu werden – und das sogar zweimal, 1969 mit Patellas und 1975 mit Da Capo. 1978 kehrt sie Berlin den Rücken und zieht mit ihrem späteren Ehemann Dietrich „Dieter“ Schulze, einem Berufs-Springreiter, auf die Anlage des viel zu früh verstorbenen Weltmeisters Hartwig Steenken, die die beiden nach und nach für ihre Bedürfnisse ausbauen. Von dort aus sammelt Madeleine ihre Schleifen wieder im Dressurviereck. Mehr als 500 Siege werden für sie in den Statistiken geführt, darunter auch die beim Deutschen Dressurderby in Hamburg in den Jahren 1983 und 1986.

Ehrenamtlich engagiert

Neben ihren eigenen sportlichen Erfolgen zeichnet sich Madeleine durch ein umfangreiches ehrenamtliches und soziales Engagement aus. Sie gibt viel, einfach weil sie es gerne tut. Ohne großes Aufheben: „Die Eduard-Winter-Stiftung hilft in Berlin sozial benachteiligten Jugendlichen“, sagt die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes mit aller Sachlichkeit. „Das hätte Papa gefallen.“ Darüber hinaus ist sie zwölf Jahre lang Aktivensprecherin im Dressurausschuss des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) sowie Equipechefin bei zahlreichen Dressur-Championaten aller Altersklassen. Unter ihrer Leitung gewinnen die deutschen Dressurreiter mehr als 40 Medaillen bei internationalen Meisterschaften. Seit 1997 ist sie Mitglied im Präsidium der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), als Vertreterin des Spitzensports ist sie bis 2017 auch Mitglied des DOKR-Vorstands. Das „Goldene Reiterkreuz mit Brillanten“, die höchste Auszeichnung der FN, die sie für ihre unendliche Passion für Pferde und ihre Loyalität bekommt, hat einen Ehrenplatz im heimischen Wohnzimmer: „Nicht, weil ich mich damit brüste, sondern weil ich es mir einfach gerne ansehe.“

 

 

Madeleine wird gemocht, ist überall ein gern gesehener Gast. Und das sicher nicht nur deshalb, weil sie so unglaublich viel für den deutschen Reitsport tut, sondern auch, weil sie einfach ein Mensch mit einem ganz großen Herzen ist. Das sagt sie nicht selbst. Das sagen andere über sie. „Wäre sie nicht schon da, müsste sie einfach noch geboren werden. Ich kenne niemanden, der sich so engagiert – und so wenig dafür als Gegenleistung fordert“, erzählt die sechsfache Olympiasiegerin Isabell Werth, die mit ihrer Mäzenin seit Jahren eine unerschütterliche, von blindem Vertrauen geprägte Freundschaft verbindet. „Madeleine hat dafür gesorgt, dass ich mich im Spitzensport halten konnte und es immer noch kann.“ Die Gelobte wiederum gibt diese Komplimente auf eine besondere, bescheidene Art und Weise zurück: „Als mein Mann vor 13 Jahren gestorben ist, haben Isabell und Ludger mich aufgefangen. Das hat mir sehr geholfen. Wir sind wie eine Familie.“

 

 

Das gilt auch im umgekehrten Fall. Von Ludger Beerbaums Domizil in Riesenbeck bis in die Wedemark, wo Madeleine seit inzwischen mehr als 40 Jahren lebt, sind es knapp zwei Autostunden. Zu Isabell Werth nach Rheinberg ist es deutlich weiter. „Isabell ruft jeden Abend an. Dann besprechen wir, was es Neues gibt. In regelmäßigen Abständen fahre ich ein paar Tage zu ihr und schaue wie sie meine Pferde reitet. Ich habe dort mein eigenes Zimmer, genauso wie bei Ludger“, erzählt Madeleine, deren Engagement inzwischen weit über den Dressur- und Springsport hinausgeht. Auch Ingrid Klimke kann auf sie zählen, als Spitzenpferd Butts Abraxxas zum Verkauf steht. Sie greift Para-Dressurreiterin Hanne Brenner unter die Arme, unterstützt die Beerbaum-Reiter Philipp Weishaupt und Christian Kukuk genauso wie Dressurausbilderin Karin Rehbein. „Ich habe die Möglichkeiten, also helfe ich“, bringt sie es auf den Punkt. „Es macht mir Freude, weil es menschlich so schön ist. Und die Freude, die du gibst, kommt in dein Herz zurück.“

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Pferdeparadies für Jung und Alt

Und nicht nur die Reiter können sich ihrer Unterstützung sicher sein, auch zu ihren langjährigen Mitarbeitern auf der heimischen Anlage pflegt Madeleine eine enge Bindung. „Sie gehören zum Inventar“, lacht sie und meint damit Pawel Jurkowski, der seit 30 Jahren ihre Springpferde reitet, und Ines Bormann, sie seit 2004 fürs Anreiten und die Dressurausbildung zuständig ist. Gemeinsam mit den beiden führt Madeleine auch die Zucht, der sich ihr Mann Zeit seines Lebens mit großer Leidenschaft widmete, weiter. „Die eigene Zucht ist eine Wucht“, scherzt die Pferdefrau, die bei jeder Geburt dabei ist, und fügt lachend hinzu: „Das stimmt natürlich nicht immer. Wir kaufen auch immer wieder junge Pferde dazu.“ Erst vor ein paar Jahren hat sie für den Nachwuchs auf der angrenzenden Wiese einen großzügigen Offenstall gebaut, der nicht nur als Futterplatz dient, sondern auch Schutz vor den Wetterkapriolen des Winters bietet.

 

 

Das Wohl ihrer Pferde liegt Madeleine am Herzen. So kehren auch immer wieder einstige Erfolgspferde – sofern sie nicht wie Goldfever oder Satchmo auch nach ihrem Karriereende bei ihren Reitern bleiben – zu ihr nach Mellendorf zurück. Aktuell zupfen dort beispielsweise Team-Europameisterin Gotha und der Sieger des Aachener Nationenpreises von 2016, Casello, in einer vergnügten Rentnergang am Gras. Die Erfolge, die sie alle ihrer Besitzerin beschert haben, sind inzwischen fast nicht mehr aufzuzählen. Und dank der jüngeren Garde kommen immer noch weitere hinzu. Bald ist für Madeleine wieder Kofferpacken angesagt. Es geht zu den Olympischen Spielen nach Tokio. Und in der japanischen Metropole wird ganz bestimmt ein weiteres Motiv entstehen, das künftig seinen Platz in der heimischen Reithalle finden wird.

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