25.11.2021

Besonnenheit trifft Power

Endlich! Zweimal war er Zweiter, in diesem Jahr hat es geklappt: Mit dem Sieg im Rolex Grand Prix beim CHIO Aachen 2021 hat sich Daniel Deußer einen Lebenstraum erfüllt. Ein Besuch bei Deutschlands derzeit bestem Springreiter, der als Chef-Bereiter der Stephex Stables in Belgien beheimatet ist.

Aufmerksam schaut die braune Stute in die Kamera, die Ohren gespitzt, die Hufe akkurat neben den Füßen ihres Reiters platziert. Das braune Fell glänzt in der Herbstsonne. Selbst das Schnattern der kreisenden Flugenten und das Rauschen des herabfallenden Laubs lenken sie nicht ab. Killer Queen VDM posiert regelrecht im Blitzlichtgewitter. Wer die 11-jährige Stute dort so entspannt stehen sieht, wundert sich, wenn ihr Reiter sie als „wild und aggressiv“ beschreibt. Auch ihr Spitzname „Killer“ bezeugt das. Der so entspannte Moment inmitten der malerischen Grünanlage der Stephex Stabels hat Seltenheitswert. Das zeigt sich wenig später, als sich die Energie der Stute unter dem Sattel in imposanten Bocksprüngen entlädt. Daniel Deußer nimmt das gelassen. „Zuhause gilt es, ihr Temperament zu zügeln, aber auf dem Turnier profitiere ich davon, dass sie alles immer schneller und besser machen möchte als die anderen“, sagt der 40-Jährige über seine Sportpartnerin. Er weiß, wenn es darauf ankommt, ist sie da. Voll fokussiert. Instinktiv bereit, ihr Bestes zu geben. So auch beim CHIO in Aachen, als sie ihrem Reiter den Sieg im Rolex Grand Prix schenkt. „Jeder Reiter träumt davon, auf dieser Tafel am Einritt zu stehen“, sagt Daniel Deußer. Zweimal, 2015 und 2019, ist er als Zweiter schon ganz nah dran. „Ich bin unfassbar dankbar, dass es jetzt endlich geklappt hat. Das war ein ganz besonderer Moment.“ Und er weiß, bei wem er sich dafür bedanken muss. „Killer Queen liebt die Aachener Soers, das haben ihre Erfolge dort als junges Pferd schon bewiesen. Mit ihr wuchs in mir die Hoffnung, dass es doch noch einmal für ganz vorne reichen könnte.“

Eine durchaus berechtigte Hoffnung. Die Stute ist siebenjährig, als Daniel Deußer die Zügel übernimmt. Das erste Aufeinandertreffen der beiden sei zwar etwas ungestüm, aber erfolgsversprechend gewesen. „Ihre Kraft und ihr Vermögen haben mich beeindruckt“, erinnert er sich und fügt lachend hinzu: „Das Handling ließ allerdings zu wünschen übrig.“ In dieser Zeit ist der gebürtige Wiesbadener bereits Chef-Bereiter im Stall von Stephan Conter. Hier, in der nördlich von Brüssel gelegenen Stadt Meise findet Daniel Deußer nach Jahren, in denen er für Franke Sloothaak und später für den niederländischen Handelsstall von Jan Tops geritten ist, 2012 einen neuen Arbeitsplatz. Und er findet neue Spitzenpferde – allen voran den Westfalen Cornet d’Amour, der seine Karriere mit unzähligen Erfolgen schmückt und ihm den endgültigen Durchbruch in die Weltspitze ermöglicht. „Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin“, sagt Daniel Deußer über den Wallach, der ihn 2014 zum WeltcupFinalsieger macht. Und während der ehrgeizige Schimmel inzwischen seinen Ruhestand im Garten der Familie Conter genießt, hat sich sein langjähriger Reiter als feste Größe im Spitzensport etabliert und bereits mehrfach an die Spitze der Weltrangliste katapultiert. Für ihn ist das „ein tolles Gefühl und eine Bestätigung dafür, dass wir als Team einen guten Job machen und unser Weg, mit den Pferden zu arbeiten, der richtige ist.“

Doch Daniel Deußer ist niemand, der Erfolg allein an Siegen und Ranglisten festmacht. Jenseits aller Leistungsstärke ist er ein geradliniger und bescheidener Reiter, der eine große Besonnenheit und Sorgfalt pflegt. Ein Reiter, der niemals aufhört, lernen zu wollen und sich weiterzuentwickeln. Und so zählt es für ihn auch als Erfolg, wenn sich seine tägliche Arbeit in einem Trainingsfortschritt eines Nachwuchs – pferdes widerspiegelt: „Die Turniere sind das eine, aber das Ausbilden eines Pferdes ist das andere, was meinen Beruf so besonders macht.“ Und für sein Training, das er mit einer großen Portion Geduld und einem nicht ermüdendem Fleiß absolviert, bieten ihm die Stephex Stables eine optimale Infrastruktur. Seine Stallgasse, in der 13 Turnierpferde untergebracht sind, wirkt wie eine kleine Oase in dem weitläufigen Areal, das in ganz Europa für seine Zucht, seine Verkaufspferde und die Reitturniere bekannt ist. Daniel Deußer selbst lebt mit seiner Frau Caroline und Tochter Stella in Rijmenam bei Mechelen. Von dort aus pendelt der Familienvater täglich die rund 30 Kilometer nach Meise, wohlwissend, dass ihm dort für seinen Sport die bestmöglichen Voraussetzungen geboten werden. Und die weiß er zu nutzen, schließlich hat er große Ziele. Mit seinem Sieg im Rolex Grand Prix in Aachen hat für ihn sein persönlicher Rolex Grand Slam of Show Jumping begonnen. Die Serie vereint den CHIO Aachen, den CHI Genf in der Schweiz, das The Dutch Masters in den Niederlanden und das CSIO Spruce Meadows ‘Masters’ in Kanada zu einem Wettbewerb um die prestigeträchtigste Trophäe im internationalen Springsport – und Daniel Deußer ist jetzt der aktuelle Anwärter auf den Titel. „Mir ist bewusst, wie schwer es ist, noch ein weiteres Springen dieser Serie zu gewinnen“, gibt er zu. „Aber wenn es möglich ist, dann mit einem Pferd wie Killer Queen.“ Während er das sagt, hat die Stute wieder einen ihrer entspannten Momente. Die Augen halb geschlossenen, genießt sie die wärmenden Sonnenstrahlen, die durch das Boxenfenster ihr Fell erwärmen. Es wirkt, als sammle sie neue Energie – bis zu dem Moment, in dem sie das nächste Mal ihren Killer-Instinkt auspackt und im Parcours mit Höchstleistung glänzt. Geht es nach ihrem Reiter, passiert das am liebsten beim CHI Genf im Dezember.

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